Samstag, 2. Oktober 2010

Schwabenaufstand in Stuttgart 21

Eigentlich sind die Schwaben ein braves Völkchen. Ich muss es wissen, ich komme daher. Und normalerweise ist dort auch alles »in Ordnung«. Es gibt keinen Grund zur Revolte.

Als ich Stuttgart verließ, war es noch ein graues Städtchen, das die Bedrücktheit der Nachkriegszeit noch nicht ganz hinter sich gelassen hatte. Als ich fünfzehn Jahre später zurück kam, war die Stadt heller und fröhlicher geworden. Besonders schön war es, wenn man aus dem Hauptbahnhof kam und sich gleich links wendete in den Schlosspark hinein. Dort überwinden ein paar elegant geschwungene Fussgängerbrücken mühelos die Zubringerstraßen. Sie gestatten einen grünen Spaziergang bis nach Cannstatt, und weiter in den Rosensteinpark, bis hin zum Killesberg. Es gibt Restaurants, Biergärten, Seen und auch alles andere, was nötig ist, um ein Stadtpark zum Idyll zu gestalten. Auch viele sehr alte und sehr schöne Bäume gibt es hier.

Zwischen diesen Bäumen bin ich oft durchgegangen. Sie sind viel älter als ich. Aber auch ich bin nicht mehr ganz jung und höre in den Baumwipfeln meine Erinnerungen rauschen, wenn ich in entsprechender Stimmung bin.

Fünfzehn dieser Bäume sind jetzt schon gefällt. Zuvor sind einige draufgeklettert, um das zu verhindern. Es hat nichts genutzt. Über hundert Verletzte gab es gestern. Das ist mehr als ungewöhnlich im beschaulichen Stuttgart.

Die Stuttgarter sind richtig wütend geworden. Man will ihnen ihr Idyll wegnehmen, eines das Geschichte und Tradition hat, eines das Jahrzehnte gebraucht hat, um nach dem Krieg wieder aufzublühen.

Die Stuttgarter haben Recht. Zum Teufel mit der Magistrale Paris-Budapest! Sollen sie doch alle kommen aus Paris und Budapest, auf den alten Strecken, in langsamen Zügen langsam einfahren in den alten Sackbahnhof. Und dann sollen sie langsam durch den Park gehen neben dem Bahnhof und den Bäumen zuhören, den Bäumen. Aber nein, die Bäume, die hacken sie ab ...