Freitag, 20. Februar 2009

Die bösen Banker

In den letzten Monaten sind die Banker allesamt zu bösen Buben erklärt worden. Angeblich haben sie sich versündigt, allen voran die Investmentbanker. Sie haben sich von ihrer Gier leiten lassen, so hört man, und dabei das ganze Bankensystem in den Abgrund gerissen.

Ist das wirklich so einfach? Sind tatsächlich ein paar Wenige dafür verantwortlich, dass eine ganze Welt in die Rezession versinkt? Nein, so einfach ist es nicht!

Wir wissen zum Beispiel, dass in den USA viele Kredite vergeben worden sind, die nie hätten vergeben werden sollen. Dort hat sich irgendwann jeder ein Haus bauen können, auch wenn er nicht im Mindesten über die finanziellen Mittel dazu verfügte. Mit Krediten bekam man das immer irgendwie hin.

Jetzt tun wir doch mal nicht so, als ob uns das alle kalt erwischt hätte. Wir halten uns alle für mündige Bürger, und die drüben auf der anderen Seite des Atlantik tun das auch. Die Gier hat auch jene verleitet, die einfach nur das Häuschen haben wollten, das sie sich nicht leisten konnten.

Hier bei uns wird genau dieselbe Schiene gefahren. Das nennt sich dann Easy Credit oder ähnlich. Ich habe in Neukölln schon Bankenfilialen gesehen, die offensichtlich alleine dem Zwecke dienen, Leuten Kredite aufzuschwatzen. Deren Werbeplakate sind offensichtlich auf zahlungsschwache Kundschaft ausgerichtet. Das gibt es auch jetzt noch, mitten in der Finanzkrise.

Wie viele von uns fahren Autos, die sie sich nicht leisten könnten? Wie viele (riesige und teure) Flachbildschirme müssen erst noch abgezahlt werden? Wie viele Häuschen hier in Deutschland werden unter den Hammer kommen, wenn die Leute, die drin wohnen, ihre sicher geglaubten Jobs verlieren? Sehr viele arbeiten bei uns in der Automobilbranche, oder im Zuliefererbereich. Wenn das dann plötzlich nicht mehr so funktioniert, mit den auf Kredit gekauften Autos, dann verlieren plötzlich all die Leute ihren Job, die in auf Kredit gekauften Häuschen wohnen. So schließt sich der Kreis. Alles hängt zusammen, alles kann einstürzen wie ein Kartenhaus.

Wir können nicht sagen, wir hätten davon lange nichts gewusst. Wir können nicht behaupten, es sei uns alles nur aufgeschwatzt worden. Natürlich, manch einem ist vielleicht von seiner Bank eine Investition aufgeschwatzt worden, die nicht ganz so risikolos war, wie behauptet. Aber hätte uns nicht schon viel früher stutzig machen müssen, dass Geld angeblich arbeiten kann? Haben wir nicht auch gerne geglaubt, was uns weiß gemacht wurde, weil wir gierig waren, weil wir alle alle gierig sind, und weil das menschlich ist?

Jetzt nach Sündenböcken zu suchen, dort wo die Gier am offensichtlichsten zu Tage tritt, das ist auch menschlich, aber es ist falsch. Wir können uns nicht aus der Verantwortung zählen. Wir sind es, die diese Welt gestalten, wir alle, und sei es nur durch Gewährenlassen, durch Wegschauen, durch Nichtstun.

In den Banken ist eine Kultur entstanden, die zu Verantwortungslosigkeit geführt hat. Das stimmt. Aber dies ist keine Kultur gewesen, die von wenigen und von oben herab befohlen wurde ist. Die Kultur des Geldes haben wir alle geschaffen, und wir haben alle an sie geglaubt, ohne viel nachzufragen. Daran hat sich auch heute nicht viel geändert.

Jetzt, wo das Geld bald etwas knapper wird, ist es um so schwerer, nicht an das Geld zu denken. Jetzt überlegt sich natürlich jeder, wie er selbst möglichst ungeschoren aus der Sache wieder herauskommt. So sind wir Menschen. Vielleicht wäre es aber an der Zeit, wieder nach eine paar neuen Idealen zu suchen. Demokratie, soziale Marktwirtschaft, vielleicht ist das nicht alles. Vielleicht ist es Zeit für Neues, zum Beispiel für eine Wirtschaft, in der Moral nicht gesetzlich vorgeschrieben wird, sondern gelebt wird, durch Überzeugung.

Samstag, 7. Februar 2009

Richard Yates: Revolutionary Road (Zeiten des Aufruhrs)

Richard Yates: Revolutionary RoadDie Verfilmung des Romans Revolutionary Road läuft gerade in den Kinos mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen, dem Traumpaar aus Titanic. Regie führt Winslets Ehemann Sam Mendes. Wenn man der Presse glauben darf, hat sie ihren Mann dazu bewegt, diesen Film zu machen, weil ihr das Buch so am Herzen liegt.

Der Roman aus dem Jahr 1961 war der Erstling des hochgelobten aber vergleichsweise erfolglosen amerikanischen Autors Richard Yates.

Es geht um die Wheelers, ein Ehepaar, das an der eigenen Eitelkeiten zu Grunde geht, indem es sich einen erbarmungslosen Ehekrieg führt. Erbarmungslos geht auch der Autor mit seinen Romanfiguren um, indem er die innere Leere dieser Menschen schonungslose offenbart. Dieses Ehepaar sucht nach einem diffusen Glück, von dem es nicht weiß wie es aussehen könnte. Nur eines scheint ihnen sicher, nämlich ihr Familienleben mit zwei Kindern im eigenen Häuschen in einer New Yorker Vorstadt nicht das ist, worauf es ihnen im Leben wirklich ankommt.

Frank und April Wheeler sind gefangen in den Rollen, die sie sich gegenseitig zugedacht haben. In ihrem unausgegorenen Plan, nach Europa auszuwandern, versinnbildlicht sich ihre Unfähigkeit, dem Lebensgefühl ihrer Epoche etwas Eigenes, Echtes entgegenzusetzen. Der Plan muss scheitern, und damit auch die Ehe. Beiden fehlt das, was sie vom jeweils anderen so sehr erhoffen, der Zugang zu eigenen, echten Gefühlen, fernab von Pose und Heuchelei, und das gesunde Selbstbewusstsein.

Was bleibt, wenn zwei Menschen merken, dass ihnen ihr Leben entgleitet und nichts mehr da ist, womit sie sich wirklich identifizieren können, das demonstriert dieser Roman: Hass und Selbstzerstörung.

Die Klasse des Romans steht außer Frage. Das Ehedrama wird auf eindringliche, differenzierte Weise geschildert. Dabei ist die Geschichte nicht mit den amerikanischen Fünfzigern verhaftet. Das psychologische Drama der Wheelers könnte sich vor einem anderen Hintergrund heute genau so ereignen. Im Grunde geht es darum, wie eine seelenlose Kindheit im Erwachsenenleben eins Ehepaars fortwirkt. Beide haben in ihrer Erziehung offenbar nichts mitbekommen woran sie sich hätten orientieren können. April hütet wie einen Schatz die wenigen Erinnerungen an ihre Eltern, die sie früh weggegeben haben. Frank hat in seinem Vater nie einen Menschen sehen können, zu dem er hätte aufschauen, an dem er sich hätte ausrichten können. Was beide früher nicht bekommen haben, können sie sich gegenseitig in der Ehe auch nicht geben.

Gerade die Qualitäten des Romans machen die Lektüre zu einem bedrückenden, um nicht zu sagen frustrierenden Erlebnis. Hier gibt es keinen Hoffnungsschimmer, schon gar keine Ausweg. Manchmal scheint es, als habe der Autor eine grausame Freude daran gefunden, den amerikanischen Durchschnittsbürger bloßzustellen. Aber dabei überschreitet er nie die Grenze zur Satire, sondern bleibt stets realistisch. Und damit wird es für den Leser unmöglich, eine wohltuende Distanz zwischen sich und dem Erzählten aufzubauen. Das Lachen bleibt ihm im Halse stecken.

Vielleicht ist diese Schonungslosigkeit auch einer der Gründe, warum dem Autor der ganz große Durchbruch zu Lebzeiten verwehrt geblieben ist. Der Roman ist zu dicht dran am echten Leben, als dass er als Unterhaltungslektüre durchgehen könnte. Er erfüllt seinen Zweck eher dann, wenn man sich mit ihm auseinandersetzt, ihn als Spiegel fürs eigene Dasein benutzt, oder einfach, wenn man ihn als Anregung zum Nachdenken sieht.

Natürlich wäre aus einem solchen Stoff ein Film mit Intensität und Atmosphäre machbar gewesen. Sam Mendes ist das nicht gelungen. Seine Hauptdarsteller spielen gut, ja, und sie scheinen die Idealbesetzungen zu sein. Genau so muss man sich Frank und April Wheeler wohl vorstellen. Aber dem Film fehlt jeder Schwung bei der Umsetzung vom Buch auf die Leinwand. Die Romanhandlung ist fast eins zu eins umgesetzt, aber sie bekommt auf der Leinwand kein Leben eingehaucht. In den ersten zwei Dritteln ist der Film fast langweilig und gewinnt dann nur deshalb an Fahrt, weil das Ehedrama unweigerlich seinem Finale entgegensteuert.

Für mich ist das ein Film, der viel zu sehr Papier geblieben ist. Die Macht der Bilder kann sich nicht entfalten. Die Fünfzigerjahre-Kulisse wirkt wie eine Bühnendekoration, einfallslos in Szene gesetzt. Einen solchen Film können auch die Hauptdarsteller leider nicht retten.

Sonntag, 1. Februar 2009

Tennis: Nadal schlägt Federer in Melbourne

Heute hat Nadal zum wiederholten Male Roger Federer im Finale eines Grand-Slam-Turniers geschlagen. Letztes Jahr in Paris und in Wimbledon ist es dasselbe gewesen. Damit ist die zur Zeit gültige Rangordnung im Profitennis eindrücklich bestätigt: Nadal Eins, Federer Zwei.

Der Mann, der als der begabteste und erfolgreichste Spieler aller Zeiten gilt, Roger Federer, muss sich bescheiden. Im direkten Vergleich gegen seinen direkten Konkurrenten Nadal setzt sich das fort, was sich im letzten Jahr schon abzeichnete: Nadal hat Federer überholt. Vorerst wenigstens!

Wer regelmäßig Tennismatches zwischen Spitzenspielern verfolgt, der weiß, dass über Sieg oder Niederlage oft nicht die spielerischen Fähigkeiten der Gegner entscheiden, denn die liegen bei den Besten dicht beieinander. Kleinigkeiten entscheiden, Nervenstärke, Tagesform, Fitness, manchmal sogar der Zufall. Wenn trotzdem auf lange Sicht und über viele Turniere hinweg ein Spieler sich als der Beste behaupten kann, dann muss ihn etwas von denen anderen unterscheiden, das über die reine Fähigkeit, Tennisbälle zielgenau knapp vor die Linien zu platzieren, hinausgeht.

Das kann eine besondere Nervenstärke sein, Erfahrung, Talent, körperliche Fitness, ein harmonisches privates Umfeld - oder schiere Kraft.

Sieht man Nadal zu, möchte man an schiere Kraft glauben. Und an eine unerschöpfliche körperliche Ausdauer. Dieser Spanier erläuft auch nach vier Stunden Tennis noch die unglaublichsten Bälle, scheinbar ohne jemals müde zu werden. Er erläuft sie nicht nur, sondern ist sogar so rechtzeitig zur Stelle, dass er sie mit seinen Vorhandhämmern auf die andere Seite zurückzimmern kann. Unwiderstehlich, unweigerlich, ein Kraftpaket auf zwei Beinen.

Mir scheint, wenn ich die letzten Begegnungen zwischen Nadal und Federer Revue passieren lasse, der Unterschied zwischen beiden liegt weniger in der Technik, sondern eher in der Kraft. Federer wirkte auf mich im letzten Satz müde und resigniert. Denselben Eindruck hatte ich letztes Jahr in Paris. Wenn Federer müde wird, dann hat Nadal immer noch eine Schippe draufzulegen. Vermutlich ist er den Bruchteil einer Sekunde schneller am Ball als sein Konkurrent, und hat dadurch die entscheidende Menge mehr Zeit, um sicher zurückzuspielen, und hat die größeren Muskeln, um den Ball noch ein bißchen mehr zu beschleunigen.

Nein, ich halte Nadal nicht für einen Spieler, der Haudrauf-Tennis spielt. Seine Technik, seine spielerischen Fähigkeiten stehen außer Zweifel, genau wie die von Federer. Aber auf dem Niveau, auf dem sich diese beiden begegnen, ist eben die spielerische Komponente nicht mehr die Einzige, die ausschlaggebend ist. Seit Nadal Tennis auf demselben Niveau wie Federer spielt, ist er an ihm vorbeigezogen, weil er stärker ist, physisch stärker.

Im Tennis, dieser von Koordination, Geschick, Taktik und Technik geprägte Sportart, sind auf dem obersten Niveau, auf dem Niveau Nadals und Federers, alle diese Komponenten ausgereizt, und es geben dann eben doch Kraft und Ausdauer den Ausschlag. Auch da ist der Unterschied zwischen den beiden bestimmt nicht riesig, aber Nadal ist wohl ein wenig stärker, jedenfalls heute ist er es gewesen, und auch bei vielen wichtigen Gelegenheiten im letzten Jahr.

Dann gibt es die Vielen, die fragen, wie kann das sein? Wie kann einer rennen und rennen, ohne müde zu werden? Ist das noch normal? Diese Frage stellen wir hier nicht! Was diese beiden, Federer und Nadal, auf dem Tennisplatz treiben, ist nicht normal. Es ist großartiges, unvergleichliches Tennis. Es ist vielleicht noch ein bißchen mehr ...