Sonntag, 15. März 2009

Winnenden: Warum hat er es getan?

Warum er es getan hat, ist eine der ersten Fragen gewesen, die gestellt worden sind. Viele fühlen sich berufen, dazu Mutmaßungen anzustellen.

Dabei ist die Frage dazu prädestiniert, niemals beantwortet zu werden. Könnte man ihn noch fragen, und er würde eine Antwort geben, dann käme die nächste Frage: Warum ist er so geworden?

Diese Frage scheint mir wichtiger, denn sie deutet wieder zurück auf uns selbst. Es gibt zwei Möglichkeiten, damit umzugehen: Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass es monströse Taten immer geben wird, man sie niemals ganz verhindern wird. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere wäre, man fragt sich, in welcher Welt so einer aufgewachsen ist. Warum niemand zu ihm vorgedrungen ist, warum niemand sehen konnte, wie Tod und Zerstörung heranwachsen. Die erste Möglichkeit bringt uns nicht weiter, selbst wenn sie richtig sein sollte. Die zweite lässt sich nicht von der Hand weißen. Es ist die einzig wichtige Frage, die Frage nach uns selbst, denn der Täter ist tot. Nach dem brauchen wir nicht mehr unbedingt zu fragen. Nach uns sollten wir fragen.

Tim K. war einer wie viele. Das wollte er nicht mehr sein. - Es nicht mehr zu sein, hat er geschafft, indem er fünfzehn Menschen umgebracht hat. Die anderen aber, die sich von der Masse genau so wenig unterscheiden, wie es Tim K. getan hat, die sollten wir jetzt anschauen. Die sind nämlich noch am leben. Man kann sie retten. Vergessene, Schüchterne, die sich leicht an die Wand drücken lassen, die man nicht beachtet. Jeder von uns kennt so einen. Man braucht nicht lange zu suchen, wenn man die Augen offen hält. Es gibt so viele, so unendlich viele: Jungs, die heranwachsen in scheinbar intakten Familien, aber niemanden haben, dem sie vertrauen wollen. Den Eltern sind sie fremd, die Freundschaften bleiben an der Oberfläche. Für sie ist alles Oberfläche, nichts hat Tiefe. Darum sehen sie in ihrem Leben keinen Sinn. Sie hatten noch nie einen Menschen, mit dem sie richtig ehrlich und aufrichtig reden konnten. Entsetzlich einsame Menschen, die in einer einsamen Welt groß werden, ein Welt die harmlos scheinen möchte und harmlose redet den ganzen Tag. Könnte es sein, dass eine solche Welt ein guter Nährboden ist, für Amokläufer?

Wieder einmal wird über Gesetze geredet, die dafür sorgen, dass Waffen noch besser weggeschlossen werden müssen. Das ist lobenswert. Aber was wollen wir tun mit all den potenziellen Amokläufern, die keine Waffe in die Hand bekommen? Wir werden sie nicht einmal erkennen! Es wird sie trotzdem geben. Sie werden mitten unter uns sein. Sie sind bereits mitten unter uns. Redet mit denen, die offenbar niemanden haben, mit dem sie reden können. Redet jeden Tag mit denen! Und wenn sie euch anschweigen, redet weiter mit ihnen. Redet mit ihnen, bevor es wieder geschieht!

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