Montag, 2. Juli 2007

Mutmaßungen über Jakob

Die Jahrestage hatte 1700 Seiten, und ich hab's irgendwie überstanden.

Da dachte ich, Mutmaßungen über Jakob vom selben Autor schaffst du jetzt locker auch noch. Irrtum! In diesem Buch tauchen zwar einige Figuren auf, deren Leben in Jahrestage wesentlich breiter ausgeleuchtet wird, aber es ist ansonsten nicht zu vergleichen. Natürlich trifft man auch hier auf den unvergleichen Johnson-Stil mit der sprachlichen Exaktheit und dieser engen Verzahnung von realem Erzählhintergrund und Fiktion. Aber das Ganze ist Experimenteller und weitaus weniger homogen als die Jahrestage

Die Erzählperspektive wechselt ständig. Normalerweise ein Todesurteil für einen gewöhnlichen Roman. Angesichts der Tatsache, dass Johnsons Roman aus der Gegenwartsliteratur nicht wegzudenken ist, muss es dem Autor wohl gelungen sein, über dieses Ineinanderschieben unterschiedlicher Erzählstimmen etwas erreicht zu haben. Dazu kann ich vielleicht etwas sagen, wenn ich das Buch zu Ende gelesen habe. Man merkt aber jetzt schon, wie dieses Buch gewirkt hat: Der Erzählduktus kommt mir aus anderen deutschen Gegenwartsromanen bekannt vor. Der Realismus, die scharf geschliffenen Beschreibungen, diese erzählerische Gewissenhaftigkeit bei jeglicher Abwesenheit von Humor, das alles glaube ich auch anderswo schon schlechter gelesen zu haben. Interessant! Man liest sowas und merkt plötzlich, dass hier etwas ist, von dem andere abgeschrieben haben, oder besser, das für andere Vorbild gewesen ist.

Viele unterschiedliche Stimmen berichten über das unscheinbare Leben des gewissenhaften DDR-Eisenbahners Jakob Abs. Warum ist der zu Tode gekommen? - Das ist letztlich wohl nicht so wichtig. Wichtiger ist, was das für ein Mensch ist, nämlich ein harmloser, fleißiger, der einfach nur funktioniert als ein Rädchen im Überwachungsstaat. Und obwohl wir hier einen völlig Unpolitischen vorgeführt bekommen, kann der Überwachungsstaat nicht umhin, sich mit dem zu beschäftigen, ihn zu kontrollieren, zu manipulieren, zu ärgen.

Auf jeden Fall ist das eine beeindruckende Studie, wie die Wadenbeißer des real existierenden Sozialismus in das Leben Einzelner eingegriffen haben. :

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