Donnerstag, 19. Juli 2007

Philip K. Dick: Der dunkle Schirm

: Der dunkle Schirm ist ein Roman über Drogenmißbrauch. Dick hat ihn von 1972 bis 1975 verfasst, nachdem er selbst eine schwere Krise, einen Selbstmordversuch und einen Aufenthalt in einem Rehabilitationszentrum für Drogenkranke überstanden hatte. Der Roman steht eindeutig in der Tradition der 68er. Er verarbeitet die dunkle Seite dieser Zeit, die Desillusionierung, die Zerstörung von Hoffnung und Idealen im Drogensumpf.

Einmal mehr stellt Dick unter Beweis, dass er keine Science-Fiction-Autor im eigentlichen Sinne ist: Er schreibt über die Gegenwart, seine Zeit, sein Leben und nutzt die Stilmittel der Science Fiction zu Entfremdung und Überzeichnungen. Inzwischen ist das Buch längst als das erkannt worden, was es tatsächlich ist, nämlich ein gesellschaftskritischer Gegenwartsroman.

Worum geht es? Bob Arctor arbeitet als Undercover-Agent im Drogenmilieu. Längst ist er selbst abhängig und verliert mehr und mehr den Bezug zu seiner Identität. Bald hält er sich in seiner Undercover-Identität und in seine Ermittlerrolle für zwei verschiedene Personen. Er beobachtet sich selbst, ja wird sogar dazu beauftragt. Die Grenzen zwischen dem Drogenmilieu und dem Staatsapparat, der den Drogenhandel bekämpfen soll, sind aufgehoben. Die Ermittlungsbehören mit ihren verdeckten Ermittlerin sind längst selbst Teil der Drogenszene geworden. Die Ermittler dealen und konsumieren genau wie diejenigen, die sie hinter Gitter bringen sollen. Jeder Dealer könnte genau so gut ein verdeckter Ermittler sein.

Den größten Raum nehmen Schilderungen ein, in denen auf komische Weise das absurde Verhalten der Junkies beschrieben wird, die zu keinem klaren Gedanken mehr fähig sind. Es gibt absurde Unterhaltungen, irrsinnige Anekdoten traurigen Zerfall. Schon die ersten Seiten geben den Ton an. Auf ihnen wird geschildert, wie Jerry Fabin eine Wahnvorstellung bekommt. Er glaubt sich von Wanzen befallen. Waschzwang, Insektenvertilgungsmittel, eingebildete Schmerzen, verrückte Suchaktionen, das ganze Programm. Jerry Fabin ist einer, der ganz am Ende steht. Sein Gehirn hat sich zersetzt, er wird bald sterben oder in einer Drogenklinik vor sich hin vegetieren. So wird dem Leser schon auf ganz am Anfang vor Augen geführt, wohin der Weg des Protagonisten Bob Arctor unaufhaltsam führt. Auch er landet in einer Drogenklinik. Am Ende erfährt man, dass er immer noch, inzwischen ohne sein Wissen, als Undercover-Agent eingesetzt wird. Er soll die wahren Ziele der Hilfsorganisation Neuer Pfad herausbekommen. Auf den letzten Seiten des Buchs sieht Arctor die Wahrheit und wir sehen uns endgültig einer Welt gegenüber, in der es nichts anderes mehr gibt, als den Anbau, den Verkauf und den Konsum von Drogen. Eine Welt, die sich selbst ad absurdum geführt hat.

Man kann den Roman guten Gewissens als einen Anti-Drogenroman bezeichnen, geschrieben von einem, der die Szene von innen kennt. Dick streitet das jedoch ab. Das Buch enthält ein sehr interessantes Nachbemerkung des Autors, in dem er auf die autobiografischen Bezüge des Romans hinweist und fast so etwas wie eine Deutung gibt. Auch das Nachwort von Christian Gasser ist lesenswert.

Der Roman bleibt erträglich durch seinen absurden Humor. Etwas schwer erträglich scheint mir die Übersetzung zu sein. Sie wirkt manchmal hölzern. Wer kann, sollte Dick vielleicht lieber im Original lesen.

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