Samstag, 2. Oktober 2010

Schwabenaufstand in Stuttgart 21

Eigentlich sind die Schwaben ein braves Völkchen. Ich muss es wissen, ich komme daher. Und normalerweise ist dort auch alles »in Ordnung«. Es gibt keinen Grund zur Revolte.

Als ich Stuttgart verließ, war es noch ein graues Städtchen, das die Bedrücktheit der Nachkriegszeit noch nicht ganz hinter sich gelassen hatte. Als ich fünfzehn Jahre später zurück kam, war die Stadt heller und fröhlicher geworden. Besonders schön war es, wenn man aus dem Hauptbahnhof kam und sich gleich links wendete in den Schlosspark hinein. Dort überwinden ein paar elegant geschwungene Fussgängerbrücken mühelos die Zubringerstraßen. Sie gestatten einen grünen Spaziergang bis nach Cannstatt, und weiter in den Rosensteinpark, bis hin zum Killesberg. Es gibt Restaurants, Biergärten, Seen und auch alles andere, was nötig ist, um ein Stadtpark zum Idyll zu gestalten. Auch viele sehr alte und sehr schöne Bäume gibt es hier.

Zwischen diesen Bäumen bin ich oft durchgegangen. Sie sind viel älter als ich. Aber auch ich bin nicht mehr ganz jung und höre in den Baumwipfeln meine Erinnerungen rauschen, wenn ich in entsprechender Stimmung bin.

Fünfzehn dieser Bäume sind jetzt schon gefällt. Zuvor sind einige draufgeklettert, um das zu verhindern. Es hat nichts genutzt. Über hundert Verletzte gab es gestern. Das ist mehr als ungewöhnlich im beschaulichen Stuttgart.

Die Stuttgarter sind richtig wütend geworden. Man will ihnen ihr Idyll wegnehmen, eines das Geschichte und Tradition hat, eines das Jahrzehnte gebraucht hat, um nach dem Krieg wieder aufzublühen.

Die Stuttgarter haben Recht. Zum Teufel mit der Magistrale Paris-Budapest! Sollen sie doch alle kommen aus Paris und Budapest, auf den alten Strecken, in langsamen Zügen langsam einfahren in den alten Sackbahnhof. Und dann sollen sie langsam durch den Park gehen neben dem Bahnhof und den Bäumen zuhören, den Bäumen. Aber nein, die Bäume, die hacken sie ab ...

Mittwoch, 30. Juni 2010

Die Bundespräsidentenwahl

Bei der Wahl zum Bundespräsidenten hätten sie die Möglichkeit gehabt, einmal das Parteiengeschachere beiseite zu schieben und Demokratie auszuüben. Aber daran ist nicht zu denken. Es gibt jetzt viele Stimmen, die behaupten, diese Wahl hätte »vieles in Bewegung gebracht«, und sie habe »den Menschen Politik und Demokratie wieder näher gebracht«. Man kann es am Ende genau anders herum sehen: Das Machtkalkül hat sich durchgesetzt. Es hat von den vielen Animositäten und Reibereien profitiert, die zwischen den Interessengruppen existieren. Die Menschen in diesen Klüngeln sind blind gegenüber dem einfachen Grundgedanken, der einer solchen Abstimmung zugrunde liegt. Sie sehen darin nur noch die Möglichkeit, dem einen oder dem anderen eins auszuwischen, oder wie bei einem Schachspiel eine bessere Stellung zu erreichen.

Am schlimmsten finde ich, dass die Presse bei diesem Spiel mitmacht. Besonders Herr Deppendorf hat in der ARD so ziemlich jeden, den er vor seine Mikro bekommen hat, danach gefragt, ob der Wahlverlauf als eine Schlappe für Angela zu sehen sei. Aber Angela stand nicht zur Wahl. Angela wird jetzt in die Regierungskrise hineingeredet. Da wird eine Realität herbeigeredet, und wird so lange wie selbstverständlich wiederholt, bis sie jeder glaubt. Auch die Presse ist nur eine Variable im Machtkalkül.

Gauck hat der Linken ans rechte Bein gepinkelt, und mit dem rechten Bein hat diese Linke jetzt bei der Bundespräsidentenwahl zurückgekickt. Die Linke hat den rechten Kandidaten gewählt, indem sie sich enthält. Das beweist eindrücklich: Zwischen Links und Rechts gab es keinen Unterschied bei dieser Wahl. Vor allem aber die Linke hat ihre eigene Ideologie verraten.

Da gibt es also einen ostdeutschen Kandidaten, einer aus der Bürgerbewegung der DDR, und er wird von der Partei nicht gewählt, die durch viele Mutationsstufen aus der SED hervorgangen ist: SED, PDS, »die Linke«... eine klare, eine verräterische Spur.

Warum hat eigentlich die Bundespräsidentenwahl eine so große Bedeutung für den Machterhalt der Bundeskanzlerin? Weil sich ein paar »Abweichler« mehr in den eigenen Reihen gefunden haben, als bisher angenommen? Das leuchtet mir nicht ein. Zwar wird das überall in der Presse so dargestellt, aber es kann nicht stimmen. Es kann höchstens eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werden.

Wenn man diese Entwicklungen nüchtern und mit gesundem Menschenverstand betrachtet, muss man einsehen, dass das genaue Gegenteil der Fall ist: Die Opposition hat eine Schlappe erlitten, nicht die Regierung, wie überall behauptet wird. Die Opposition war so zerstritten, dass sie eine gute Gelegenheit nicht genutzt hat, das Bundespräsidentenamt zu besetzen. Die Opposition hat versagt, wenn man sie als Ganzes sieht. Man sollte das Ganze sehen, nicht die Einzelinteressen. Hätte man das getan, wäre diese Wahl anders ausgegangen.

Sonntag, 25. April 2010

Ebooks in zwei getrennten Welten

Der Amazon-Kindle hat die europäischen Ebooks in zwei Teile geteilt, nämlich in solche, die auf dem Kindle gelesen werden können, und solche, die dort nicht gelesen werden können.

Die Teilung wird vor allem dann zum Problem, wenn es um Bücher geht, die dem DRM (Digital Rights Management) unterliegen. Dann bedeutet es nämlich, dass praktisch alle zur Zeit auf Deutsch geschützt erscheinenden Ebooks auf dem Kindle nicht gelesen werden können. Umgekehrt können die im Kindle-Store gekauften Ebooks auf dem Sony-Reader und auf seinen Kollegen nicht gelesen werden. Das ist ein Patt in der x-ten Wiederholung des sattsam bekannten Kriegs um den einheitlichen Standard. Ein Krieg, in dem der Leser schon jetzt als Verlierer feststeht, egal wie er ausgeht.

Unterdessen müssen wir uns mit Zuständen abfinden, die wir anderswo niemals akzeptieren würden. Die Kindle-Software hat (zumindest habe ich das auf dem Apple heute bemerkt) nicht einmal eine Suchfunktion. Wer nach einem Wort suchen möchte, ist also aufs Blättern angewiesen, genau wie bei einem gedruckten Buch, oder aber auf ein Schlagwortregister am Ende des Buches, genau wie bei einem gedruckten Buch. Wir sind nicht weit davon entfernt, dass wir die Ebooks wieder ausdrucken, binden und uns in den Schrank stellen, damit wir wenigstens sicher sein können, sie auch ein paar Software-Generationen später noch lesen zu können.

Was kann man tun, wenn man in dieser Situation möglichst viele Ebooks auf Deutsch und Englisch lesen möchte, vielleicht auch solche aus der Bestsellerliste? Man braucht mindestens zwei Ebook-Reader. Man spielt mit, weil einem nichts anderes übrig bleibt. Aber man sollte sich lautstark beschweren. Bewusstsein schaffen für ein Problem, welches exemplarisch dafür ist, wie schwer es uns fällt, die Urheberrechte auf das digitale Zeitalter zu übertragen.

Sonntag, 18. April 2010

Ebooks - eine Bestandsaufnahme

Es ist nicht allzu lange her, da brachte Amazon den Amazon Kindle nach Europa brachte, und das fast ganz ohne Angebot in deutscher Sprache. Wenn es Vergleichbares in Europa schon gegeben hätte, dann wäre das in dieser Form bestimmt nicht geschehen.

Und tatsächlich: Wer bei uns elektronische Bücher lesen möchte, der trifft auf einen trostlosen, einen lächerlichen Markt, mit Verlaub gesagt. Da hilft auch die Bereitschaft nicht, für Ebooks Geld auszugeben, die Kreditkartennummer preiszugeben, was auch immer ...

Das Stichwort heisst DRM (Digital Rights Management) . Dabei geht es natürlich um das Problem, wie man die Verteilung des wertvollen geistigen Eigentums im Internet so kontrollieren kann, dass damit Geld verdient werden kann. Amazon hat dabei, zweifellos auch auf Grund seiner bereits existierenden und dominanten Internet-Präsenz, den elegantesten Weg eingeschlagen. Wer bereits einen Account bei Amazon besitzt, der bekommt seinen Kindle gleich registriert zugeschickt, und da der Kindle sich ins Handy-Netz einloggt (kostenlos), kann mit dem Bücherkauf sofort begonnen werden. Gäbe es denn nun auch deutsche Bücher im Kindle-Shop, dann wäre das eine tolle Sache.

Und was macht die Konkurrenz? Sie schläft zwar nicht, aber sie hat auf jeden Fall die Schotten dicht. Die Strategie ist genau so einfach wie blöde: Da die Verlage nun einmal auf keinen Fall offene Ebook-Formate einsetzen wollen (weil diese beliebig kopiert und gelesen werden können), muss natürlich verschlüsselt werden. Mit anderen Worten: Erst mal machen wir die Tür zu, und wenn dann einer wirklich unsere Bücher lesen möchte und auch wirklich gutes Geld dafür bezahlt hat, dann bekommt er vielleicht auch einen Schlüssel. Davor aber muss er ein paar Hürden überwinden. Z.B. Software auf dem PC installieren. Oder noch besser: Software auf dem Sony-Reader installieren. Z.B. Adobe Digital Editions. Aber eigentlich wollten wir doch ein Ebook lesen. Nun mal langsam! Wenn wir zum Beispiel bei libri.de ein Ebook haben wollen, dann brauchen wir selbstverständlich bei denen einen Account. Aber das genügt natürlich nicht. Wir brauchen auch noch eine Adobe-Id von einer ganz anderen Firma, nämlich Adobe. Zusammen mit der Software können wir dann unsere Bücher auf dem Smartphone oder am PC lesen. Moment mal: Jeder weiß doch, dass man Bücher auf dem Smartphone und auf dem PC nicht vernünftig lesen kann. Wir könnten uns einen Sony-Reader kaufen, aber wir haben inzwischen die Lust verloren, denn bei dieser ganzen komplizierten Angelegenheit ist folgendes klar geworden:
  • Benutzerfreundlichen Ebook-Kauf gibt es nicht. (Amazon ist die Ausnahme)
  • Das Urheberrecht ist den Verlagen das Wichtigste. Die Freiheit des Internet ist dabei lästig. Paradox: Man möchte die Möglichkeiten des neuen Mediums nutzen, fühlt sich aber gerade durch dessen Möglichkeiten behindert. Es ist eben wie mit Filmen und der Musik auch: Leicht und unkompliziert strömen die Daten durchs Netz, und kaum einer wird bestreiten, dass dies ein unschätzbarer Vorteil ist. Aber bitte nur so lange das geistiges Eigentum bewahrt bleibt ...
Den meisten Sites merkt man an, dass sie zwar auf der Welle mitreiten, aber dabei nicht nass werden wollen. Halbherzig ist noch ein schmeichelhaftes Wort dafür. Man macht Ebooks, weil man weiß, dass es sonst andere tun würden. Aber man beherrscht die Technik nicht. Die Technik ist erst dann beherrscht, wenn der Kauf von Ebooks einfacher, billiger und erfreulicher ist als der Kauf gedruckter Bücher im Buchhandel. Manche glauben, das wird niemals der Fall sein. Ich glaube schon. Man nehme die Musik als Beispiel, itunes ...

Donnerstag, 1. April 2010

Bis nichts mehr bleibt

Die ARD zeigt einen Film über Scientology! Mutig! Und anschließend wird natürlich gleich diskutiert.

Nein, ich habe den Film nicht ganz gesehen. Nur ein paar Minuten. Diese paar Minuten fand ich sterbenslangweilig. Schema F. Alles das nacherzählt und nachgesprochen, was man ohnehin schon weiß über Scientology. Flache Charaktere. Schwarz-Weiß. Über einen solchen Film braucht sich Scientology keine Sorgen zu machen.

Nur merkwürdig, dass kaum einer über die Qualität des Films schreibt. Das Thema an sich verkauft sich gut. Das genügt offenbar.

Mittwoch, 31. März 2010

Leihbüchereien

Gehen wir mal davon aus, dass die E-Books kommen. Über kurz oder lang werden sie kommen, auch wenn es jetzt noch so aussieht, als würde es eher länger dauern.

Man streitet sich momentan vor allem um das geistige Eigentum. Das muss geschützt bleiben. Aber letztlich geht es weniger um das geistige Eigentum, als viel mehr um das Geldverdienen. Mit Büchern soll weiter Geld verdient werden können. Da kommte es natürlich schlecht, dass in Internetzeiten elektronische Bücher ganz einfach hergestellt und verteilt werden können. Die E-Book-Reader sind auch schon da. Man könnte also, wenn man nur wollte. Aber man will nicht. Man will sich schützen. Man muss also den Möglichkeiten der neuen Technik einen Riegel vorschieben, indem man das geistige Eigentum schützt. Aber wie gesagt: Es geht den meisten bestimmt um ihr materielles Eigentum, das sie mehren wollen, nicht aber um ihr geistiges, welches sie gerne zu einem guten Preis verkaufen möchten. Von irgend etwas muss man ja schließlich Geld leben.

Es wird also noch eine Weile dauern. Auf alle Fragen muss es erst eine Antwort geben. Zum Beispiel die folgende: Was wird aus dem Konzept der Leihbüchereien, der Bibliotheken überhaupt? Wer heute in eine städtische Bücherei geht, der kann der bekommt dort nicht nur olle Klassiker, sondern auch die Top Ten der Bestsellerliste oder Fachliteratur, für die er in der Buchhandlung so einiges berappen müsste. Bücher ausleihen - im E-Book-Bereich momentan wohl noch undenkbar. Besitz auf Zeit, ein Konzept, für das sich IT-Standards, wenn es sie überhaupt gibt, auf jeden Fall noch nicht durchgesetzt haben.

Freitag, 26. März 2010

Das Beunruhigende im Fall Kachelmann

Das Beunruhigende im Fall Kachelmann, ist das, was er für unser Menschenbild impliziert. Wir haben den Mann als eine Frohnatur erlebt, Spontan-Sympath und Strahlemann.

Wenn dieser Mann tatsächlich einen Ausraster hatte, oder vielleicht sogar die viel beschworene dunkle Seite, dann muss dass auf jeden anderen Mann zutreffen. (Dies jedenfalls legt die Medienberichterstattung nahe.) Der Fall Kachelmann liese dann keine andere Schlussfolgerung zu. Es gäbe keinen Mann mehr, für den eine solche Tat undenkbar wäre. Es gäbe keine Frau mehr, die das nicht ihrem Mann, jedem Mann zutrauen müsste.

Diese Vorstellung macht uns Sorgen.

Donnerstag, 25. März 2010

Ach du lieber Kachelmann, alles ist hin.

Jörg Kachelmann der Vergewaltigung angeklagt. Hat er's getan, oder hat er es nicht getan?

Das wäre eigentlich Stoff für einen Kriminalroman, jedenfalls wenn nebenbei noch ein Mord geschähe. In einem Krimi wäre am Ende auch klar, was passiert ist, und was nicht.

In der Realität kann man nicht sicher sein, dass die Dinge jemals so klar werden. Da gibt es viele Meinungen, viele Medien, und die Wahrheit bleibt schnell mal auf der Strecke.

Was mich an dieser Geschichte persönlich so beeindruckt: Sie verdeutlicht, wie wenig einjedes, auch das glücklichste Menschenleben gegen plötzliche Wendungen gefeit ist. Das gilt für den Mann und für die Frau ...

Montag, 22. März 2010

Margaret Moth ist gestorben

Margaret Moth, die Kriegsfotografin, war eine Frau mit einem verblüffenden, einem beeindruckenden Verhältnis zum Tod. Sie hatte keine Angst davor, und hat das offenbar in verschiedenen Kriegsgebieten eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Da lag es nahe, ihr schon zu Lebzeiten eine Todessehnsucht zu unterstellen. Um so erstaunlicher kommt es mir vor, dass genau dies eben nicht der Fall gewesen ist. Margaret Moth war äußerst lebenslustig. Aber irgendwie hat sie es geschafft, nicht am Leben zu hängen, sondern das Sterben als einen wesentlichen Teil davon nicht nur anzuerkennen, sondern sogar neugierig darauf zu sein. Ich glaube ihr, dass sie keine Angst gehabt hat ...

Sonntag, 21. März 2010

Swarm Blogging

leafrs ist eine neue Swarm-Blogging-Plattform. Ziemlich hip, und eng mit Twitter und Facebookverknüpft. (Anscheinend wir dieselbe Software wie bei Twitter genutzt)

Aber warum noch eine Platform für meine Texte? Warum sollten Blogger hier bloggen - und ihren eigene Blog verweisen lassen?

OK, es geht um semantische Verknüpfung und so Dinge wie Schwarmintelligenz. Hört sich total gut an, es bleibt für mich das Problem: Wir leben im Zeitalter von Feeds und content syndication. Wäre es da nicht sinnvoller, anstatt eine neue Datenhaltung anzubieten, diese ganzen Konzepte auf eingebettete Inhalte anzuwenden?

Dann könnte ich nämlich einfach hergehen und meinen Blog bei Leafrs einbinden. Vision: Alle Vorteile, die Leafrs verspricht, und keine doppelte oder dreifache Datenhaltung, sondern eben content syndication.

Ansonsten merkt man schnell, wenn man sich eine Weile durchklickt. Das kann schnell zu einer Vollzeitbeschäftigung werden: Texte einstellen, verlinken, kommentieren, einladen, mailen, was auch immer ... überall mit dabei sein. Auf die Dauer muss das ein Alptraum sein.

Die digitale Bohème frisst ihre Kinder

Holm Friebe/Sascha Log: Wir nennen es Arbeit Die Taz singt das Lied vom Ende der digitalen Bohème. Die digitale Bohème war ein Begriff, der in dem Buch Wir nennen es Arbeit geprägt wurde. Das Buch versprach mehr, als es halten konnte. Es wollt weltanschauliche Grundlage für einen neuen Lebensstil sein, für eine neue Kultur der Arbeit. Das waren hochgesteckte Ziele.

Ich fürchte, die Taz hat Recht. Die digitale Bohème war ein gutgemeinter Versuch, den Kommerz mit den Internet-Kreativen zu vereinen. Er fiel in eine Zeit, in der der Lack ab war vom Hype, die Hoffnungen aber noch da waren. Letztlich naiver Fortschrittsglaube: Die Möglichkeiten des Internet ermöglichen eine neue selbstbestimmte Existenzform unabhängig von den Beschränkungen des Angestelltendaseins. Irrtum! Das Internet wird von Menschen gemacht. Alle Beschränkungen und auch alle sozialen Schranken, die im realen Leben existieren, werden sich unweigerlich auf das Internet übertragen.

Freiräume dort wird es nur so lange geben, so lange sie nicht bemerkt werden.

Donnerstag, 11. März 2010

Bloggen und die Privatsphäre

Ich suche schon seit Längerem nach einer guten Mischung zwischen Privatem und Allgemeinem beim Bloggen. Das Dilemma ist klar: Privates über die eigene Person ins Internet zu stellen, ist eine gefährliche Sache, kann Seiteneffekte aller Art haben. Junge Leute tun das allzu oft. Die Privatsphäre geht verloren. Wer ehrlich ist im Internet, der stellt sich bloß vor anderen, die ihm nicht wohl gesinnt sind. Außerdem wird es schwerer wenn nicht sogar ganz unmöglich, die Fassade aufrecht zu erhalten, die im Berufsleben unabdingbar ist.

Auf der anderen Seite ist das nicht im Interesse des Lesers. Das für den Blogger Gefährliche wäre das Interessante, nämlich einen Blick in sein Privatleben zu werfen, an seinem Leben teilzunehmen. Wer interessiert sich schon für die Gedankengänge von Herrn oder Frau Irgendjemand, solange er nichts von ihm weiß, sich nicht in ihn hineinversetzen kann?

Ich sehe keine Lösung für das Dilemma. Das Dilemma ist symptomatisch für eine Gesellschaft, die zwar dem Voyerismus über die Medien fröhnt, vom Einzelnen aber erwartet, dass er die Fassade aufrecht erhält ... den Anschein wahrt.

Winnenden - 1 Jahr danach

Vor einem Jahr was das: eine 9-Millimeter-Waffe. Diese Waffengattung ist nicht olympisch, kann dicke Mauern durchschlagen, Metall durchschlagen. Solche Waffen werden in Deutschland immer noch von sogenannten Sportschützen eingesetzt.

In den einschlägigen Reportagen zu Winnenden ist es zu sehen. Da streuben sich einem die Haare: Immer noch Jugendliche mit diesen völlig sinnlosen 9-Millimeter am Schießstand. Man kann offenbar nicht jung genug sein, um damit anzufangen. Auch Winnenden schießen sie scheinbar immer noch auf die Pappscheiben. Wenn auch nur einer dabei ist, einer von den vielen, der einen seelischen Schaden hat, der austickt, dann passiert es wieder ...

Gabs da nicht mal einen Aufschrei in der Politik, man müsse die Waffengesetze verschärfen? Offenbar hat man nur ein paar scheinheilige kosmetische Korrekturen vorgenommen. Die Schießerei geht weiter!

Mittwoch, 10. März 2010

Textgattungen im Internet

Mit Aufkommen der Internet sind natürlich auch ganz neue Textgattungen entstanden, oder sind dabei, zu entstehen. Da sich die Technik immer noch rasant entwickelt, ändern sich damit auch die damit verbunden Möglichkeiten. Es ist schwer, Gattungen zu definieren oder Begriffe zu prägen für Phänomene, die sich im Fluss befinden.

Einiges kristallisiert sich dennoch heraus: Der Blog zum Beispiel ist eine anerkannte Ausdrucksform geworden, von der Wissenschaft entdeckt, von der Wirtschaft und natürlich von den diversen sozialen Gruppen, die sie schreiben.

Ich denke, der Erfolg des Blog auch damit zu tun, dass er seine Mittel einschränkt, sich also definiert, indem er auf technische Möglichkeiten verzichtet.

Bei der Gestaltung einer Homepage sind diese Möglichkeiten unbegrenzt. Damit kann alleine schon das Layout beliebig komplex werden. Inhalte können schnell in den Hintergrund geraten. Es ist einfach, sich zu verzetteln.

Bei Blogs ist das anders. Sie waren von Anfang an dazu konzipiert, einfach und schnell erstellbar zu sein. Es gibt Vorlagen für das Layout. Die Struktur richtet sich am Kalender aus. Die Zeitachse gibt die Hauptordnung vor. Natürlich, es gibt Labels und andere Ordnungsmerkmale. Dennoch bleibt ein Blog, was seine interne hierarchische Struktur angeht, überschaubar. Genau dadurch wird er für eine breitere Gruppe zu einem interessanten Ausdrucksmittel. Die Technik steht im Hintergrund ...

Dienstag, 9. März 2010

Blogspot contra Wordpress

Ich hab mich bis jetzt mit dem Thema Blogger-Software vor allem aus dem Blickwinkel beschäftigt: Wie bekomme ich meine Inhalte in den Blog? Ich bin dabei etwas eigen, denn ich würde ungern meine Inhalte auf Gedeih und Verderb einem Hoster oder einer MySQL-Datenbank anvertrauen.

Deshalb habe ich mich in den letzten Wochen damit beschäftigt, wie ein automatischer Upload von Content in Wordpress und Joomla! möglich ist. Nun ja, es gibt diverse Möglichkeiten, aber nicht das, was ich suchte. Was ich suchte ist nämlich genau das, was Google bietet, eine API, genauer die Blogger-API. Sie bietet die maximale Flexibilität. Durch ein kleines selbstgeschriebenes Programm kann ich meine Texte bei mir auf dem Rechner verwalten, sichern, umwandeln wie ich will, und sie bei Bedarf in meinen Blog leiten. Kein Aufruf irgendeiner Internetseite ist nötig.

Joomla!, eigentlich ein Content-Management-System, hat mich dabei an meisten enttäuscht. Es gibt kaum Möglichkeiten für einen automatisierten Upload. Wordpress ist da schon wesentlich vielseitiger. Über ein erweitertes RSS-Format lassen sich Inhalte abziehen und auch hochladen. Eine Programmierschnittstelle aber, über die die Inhalte direkt in der zu Wordpress gehörenden MySQL-Datenbank landen würden, gibt es jedoch nicht.

Wordpress wäre eigentlich meine erste Wahl gewesen, um meinen schon eine Weile bestehenden Blog vernünftigt auszubauen. An diesem Detail aber wird es scheitern. Ich gehe lieber mit Googles Blogspot. Man kann den Leuten von Google ja vieles nachsagen. Positiv fällt mir (mit meinen persönlichen Vorlieben) immer wieder auf: Bei Google wird gedacht, wie Programmierer denken. Es geht darum, die technischen Möglichkeiten auszureizen. Das gefällt mir an der Firma. Wenn ich eine bestimmte Wunschvorstellung davon habe, wie ich etwas gerne machen möchte, dann bietet mir immer noch Google am Häufigsten die Möglichkeit, es genau so zu machen. Ist ja auch eine Riesenfirma inzwischen. Die sind fleißig, bei Google ...

Sonntag, 14. Februar 2010

Meine Meinung zu Google books

Meine Meinung zu Google Books: Unübersichtlich, unhandlich, verworren, unausgegoren, nutzlos. Wenn sich die vielen Google-Kritiker mal diese Seite anschauen würden, würden sie sich vielleicht weniger Sorgen um ihre Urheberrechte machen.

Es ist so gut wie ausgeschlossen, hier eine sinnvolle Büchersuche durchzuführen, oder sich Bücher kostenlos herunterzuladen, um sie dann in aller Gemütlichkeit auf einem Ebook-Reader oder sonstwie zu lesen.

Nicht alles, was Google anpackt, ist genial. Und nicht vor allem braucht man Angst haben. Im Webdesign waren sie noch nie besonders gut. Die Google-Suche konnte nur deshalb so erfolgreich werden, weil sie auf ein Design so weit wie möglich verzichtet hat: Ein Eingabefeld für die Suche, ein Google-Logo, viel mehr enthielt die Seite lange Zeit nicht. Bis heute scheint sich an Googles Unfähigkeit, HTML-Seiten zu gestalten, nichts geändert zu haben. Diese Leute sind eine Technikertruppe. Bücher erwecken in denen nicht so viele Emotionen, höchstens vielleicht den dringenden Wunsch, alle zu digitalisieren.

Donnerstag, 11. Februar 2010

Grundsätzliche Überlegung zum Thema Gut und Böse

Wäre ich damals im Russlandfeldzug dabei gewesen, als Deutschland noch unter dem Hakenkreuz stand, und hätte ich erlebt, wie es allmählich zu Ende geht. Was hätte ich getan?

Hätte ich erkannt, dass ich auf der Seite der Bösen stehe? Wahrscheinlich nicht. Gehen wir aber mal davon aus, ich hätte es erkannt und hätte beschlossen, die Seiten zu wechseln.

Sagen wir, ich wäre vor Stalingrad gelegen und hätte irgendwann beschlossen, die weise Fahne zu schwenken und zu den Russen überzulaufen. Ich hätte vielleicht sogar mit denen kolaborieren wollen, hätte ihnen alles verraten, was ich über die deutschen Stellungen gewusst hätte. (Nicht viel, nehme ich an.)

Nach dem Krieg hätte ich vermutlich nicht nach Deutschland zurückkehren wollen. Ein Überläufer hätte es nämlich auch im Nachkriegsdeutschland nicht einfach gehabt. Gehen wir also davon aus, ich wäre in Russland geblieben.

Dann wäre ich mitten in den Stalinismus geraten. Hinein in die schlimmsten Zeiten. Mit anderen Worten: Ich wäre von den Bösen zu den Bösen übergelaufen.

Also hätte ich besser an der Westfront kämpfen müssen. Dann hätte ich eine Chance gehabt, zu den Amis überzulaufen. Die haben sich schliesslich nach dem Krieg als die wahrhaft Guten herausgestellt.

Spätestens beim Vietnamkrieg hätte ich auch bei den Amis meine Zweifel bekommen.

Mit dem Guten und dem Schlechten scheint es nicht so einfach zu sein, hätte ich gedacht. Aber dann wäre ich ja schon in Rente gewesen. Ich hätte mit den Schultern gezuckt. Vielleicht hätte ich gesagt: "Wenigstens ein paar Jahre lang richtig gut gelebt." Das jedenfalls soll Feldmarschall Göhring gesagt haben, als er schon lange nicht mehr Feldmarschall war, sondern nach nach den Nürnberger Prozessen auf seine Hinrichtung wartete.

Es ist wohl besser, ich beschäftige mich nicht nicht länger mit der Frage, wie ich mich im zweiten Weltkrieg verhalten hätte.

Freitag, 5. Februar 2010

Zahlenvergleich

Die gestohlenen Daten aus der Schweiz sollen dem deutschen Finanzamt bis zu 500 Millionen Euro hinterzogener Steuern einbringen. Derzeit wird darüber diskutiert, ob der Staat für solche Daten einem Dieb 1,5 Millionen Euro geben wird.

In Deutschland herrscht die Meinung vor, dass es hier doch um sehr viel Geld geht, sehr viel!, und man konstruiert daraus ein moralisches Dilemma. Viele sagen, ohne "Illegales" ginge im Kampf gegen das böse böse Unrecht der Steuerhinterziehung ohnehin nichts.

Zur selben Zeit meldet der Herr Ackermann von der Deutschen Bank eine Gewinn NACH Steuern für sein letztes Geschäftsjahr von 5 Milliarden. Ich wiederhole: 5 Milliarden. Das ist das zehnfache des Betrag, der angeblich von Schweizer Konten zu holen ist. Dieser Gewinn wird in einer Branche gemacht, für deren Unterstützung der Staat vor kurzem bereits Milliarden ausgegeben und riskiert hat.

Also: Hier in Deutschland bleiben 5 Milliarden übrig, in den Taschen der deutschen Bankiers. Dort läuft man 500 Millionen hinterher, die in die Taschen Schweiz Bankiers gewandert sind. In Abwandlung eines alten Sprichtworts gilt: Besser die Taube auf dem Dach, als den Spatz in der Hand.